Geschichte des Landgerichts Mönchengladbach

Auszüge aus der Abhandlung von Vorsitzenden Richter am Landgericht a. D. Dr. Siegfried Maser: "Ein prächtiger Tempel der Themis" - Zur Entstehung des Landgerichtsgebäudes, abgedruckt in: Scheiff (Hrsg.) 100 Jahre Land- und Amtsgericht in Mönchengladbach (2012)

Das Friedensgericht (Bezeichnung ab 1877: Amtsgericht) und Handelsgericht (Bezeichnung ab 1877: Kammer für Handelssachen) waren zunächst im Rathaus Abtei   untergebracht. Zum Zeitpunkt der Justizreform (1877) war einziger Richter ein Herr Keunen. Raumprobleme gab es da nicht.  Das änderte sich in den folgenden Jahren. Die rasche Ausweitung im Handels- und Gewerbebereich, vor allem die Expansion der Maschinen- und Textilindustrie, damit verbunden ein im Wesentlichen stetiger  Bevölkerungsanstieg,  ließ die Zahl der Justizverfahren weiter  wachsen. Damit verbunden war ein erhöhter Bedarf an richterlichem und nichtrichterlichem Personal.

Die Raumnot des Amtsgerichts  wurde in den 80er Jahren  so groß, dass die zuständigen Ministerien in Berlin beschlossen, dem Amtsgericht M.Gladbach ein würdiges Zuhause zu schaffen. Der Fiskus erwarb zu diesem Zweck das Grundstück  Abteistraße 3.  Im Oktober 1889 wurde der Neubau bezogen, angeschlossen war ein Gerichtsgefängnis.Der Gedanke, mit diesem Gebäude sei dem Raumbedarf der Gladbacher Justiz für längere Zeit Genüge getan, erwies sich schnell als  Irrtum, denn die Zahl der Eingänge und der Justizbediensteten wuchs weiter. Im Jahre 1902 vergrößerte sich zudem  die Raumnot   durch die Einrichtung einer Auswärtigen Strafkammer  des Landgerichts  Düsseldorf.Dass die Stadt  mit Wirkung zum 12. Juni 1902 eine  Auswärtige Strafkammer erhielt, die organisatorisch (ebenso wie die Kammer für Handelssachen)  eine  „Filiale“  des Landgerichts Düsseldorf war, löste in Gladbach  große Freude aus. Die Beteiligten waren sich darüber einig, dass damit der Einstieg geschafft war und   über kurz oder lang die Etablierung eines kompletten Landgerichts folgen müsse.Im Jahr 1905 erfolgte die langersehnte Klärung der Landgerichtsfrage. Die Stadt hatte sich für den Fall der Errichtung eines Landgerichts bereit erklärt, ein für den Neubau des Landgerichts geeignetes Grundstück, sowie die für die vorläufige Unterbringung erforderlichen Räume unentgeltlich  zur Verfügung zu stellen. Auf der Grundlage dieser Erklärung kam nach langen schriftlichen und wiederholten mündlichen Verhandlungen mit den von Berlin nach hier entsandten Ministerialkommissaren zwischen dem Justizfiskus und der Stadt 1905 ein Vertrag zustande. Die Konditionen waren, vereinfachend zusammengefasst, die unentgeltliche  Überlassung eines  Baugrundstücks, die Befreiung von Straßenanliegerbeiträgen, die Überlassung provisorischer Mieträume seitens und auf Kosten der Stadt für die bis zur Fertigstellung des Neubaus unterzubringenden Justizbehörden, Ankauf des  justizeigenen  Gerichtsgebäudes Abteistraße 3  inklusive Gefängnis durch die Stadt.Das Justizgebäude sollte, auf Vorschlag von Oberbürgermeister Piecq Ende des Jahres 1905,  auf dem Gelände des Bahnhofs Bökel errichtet werden.

Im  Frühjahr 1906 wurde endlich  das von der Stadt lange ersehnte Projekt „Landgericht“ Realität, denn am  23. April 1906 unterzeichnete Kaiser Wilhelm II. in seiner Eigenschaft als König von Preußen das Gesetz, betreffend die Errichtung eines Landgerichts in München-Gladbach. Einen Tag später wurde der Kaufvertrag zwischen dem Eisenbahnfiskus und der Stadt  über das Grundstück Bahnhofs Bökel ausgefertigt. Der Bahnhof Bökel wurde am 1. Mai  (1909) geschlossen und ging mit den Grundstücken der Eisenbahn von der Gemeindegrenze Gladbach-Land bis an den Bröseweg in das Eigentum der Stadt über.Im Juni 1909 wurde auch in Gladbach mit den Arbeiten begonnen.  Der Landtag  hatte  eine erste Rate der für den Bau und die Ausstattung erforderlichen Mittel bewilligt, der Finanzminister den Betrag von 350 000 Mark in den  Staatshaushalt 1909 eingestellt.Die Bauleitung lag bis zur Grundsteinlegung  (Januar 1910) in den Händen des Ortsbeauftragten Baurat  Schödbrey. Sie wurde dann dem Königl. Regierungsbaumeister Stausebach übertragen. Neben Stausebach war örtlicher Bauleiter  der Königl. Regierungsbaumeister des Hochbaufaches Fritz Schnass, beauftragt insbesondere mit der Innenausstattung. Die Regierung wurde zunächst durch den Geheimen Baurat vom Dahl, vertreten, nach dessen Pensionierung im Januar 1910 durch den  Regierungs- und Baurat Lamy. Die  Arbeiten gingen zügig voran. Die Einweihung war ursprünglich vorgesehen  für den 3. Juni 1912.  Wenige Wochen vorher verstarb  Regierungsbaumeister Schnass. Das hatte   Verzögerungen zur Folge. Bauleiter  Stausebach übernahm auch die Arbeiten, die Regierungsbaumeister Schnass nicht mehr hatte vollenden können.   Dann war es aber am 17. September 1912 soweit.

Der preußische  Staat war nicht bereit, die bei der Inbenutzungnahme des Neubaus zu veranstaltende Feier  zu finanzieren.   Gefragt waren daher  die Stadtgemeinde M.Gladbach sowie die örtliche Justiz. Hierzu wurde ein Festausschuss gebildet, dem  angehörten Landgerichtspräsident Jerusalem, Erster Staatsanwalt van Hees, Notar Seibert, Justizrat  Rechtsanwalt Dr. Huesgen, der Aufsichtführende Amtsrichter  und Oberbürgermeister Piecq. Federführend war für die Justiz der Landgerichtspräsident,  für die Stadt der Oberbürgermeister.Der Festausschuss legte die Einladungsliste fest und traf folgende Regelungen zur Finanzierung:Die durch die Einladung der Ehrengäste, soweit sie zu den Staatsverwaltungsbeamten zu rechnen sind, und der übrigen Herren, soweit sie nicht lediglich Justizbeamte sind, entstehenden Kosten trägt die Stadt M.Gladbach. Die durch die Einladung der Justizbeamten entstehenden Kosten tragen die Mitglieder des Land- und Amtsgerichtes sowie die Rechtsanwälte.Die Stadt gibt die Kaiser-Friedrich-Halle unentgeltlich her,  trägt die Kosten ihrer Ausschmückung sowie die Kosten der Musik.Bei dem Festessen übernimmt der Landgerichtspräsident den Toast auf die Ehrengäste und der Erste Staatsanwalt denjenigen  auf die Baubeamten.

Somit fand die Einweihung in drei Teilen statt. Die Schlüsselübergabe bei einem Festakt im Gerichtsgebäude. Das Festessen in der Kaiser-Friedrich-Halle und eine Abschlussveranstaltung im Volksgarten.Aus der  Westdeutschen Landeszeitung erfahren wir, dass der Festakt im Gerichtsgebäude mit15 Minuten Verspätung begann. Das macht wiederum die allein in  der Gladbacher Zeitung  enthaltene Bemerkung erklärlich, die Teilnehmer des Festaktes im Justizbau hätten sich zum Festessen in die Halle begeben,  nachdem sie flüchtig noch einen Teil des  Gebäudes in Augenschein genommen hatten.Zur Schlussfeier im Volksgarten war als Transportmittel von der Kaiser-Friedrich-Halle dorthin  und zurück von der Stadtverwaltung  ein „Extrawagen“ der elektrischen Straßenbahn bereitgestellt. Obwohl auch die Bürgerschaft eingeladen war, fand die Veranstaltung keinen allzu großen Zuspruch, wie man der Gladbacher Zeitung vom 18. September entnehmen kann  (War der Besuch dieses Festes durch das Publikum auch nur schwach, ...)